Freitag, 12. Oktober 2007

Tandem-Stress

Um sich selbst besser im Land unserer Gastgeber verständigen zu können, streben viele Studenten einen sogenannten "Intercambio" an, was in Deutschland besser bekannt ist unter dem Namen "Tandem-Partnerschaft".
Für diejenigen unter Euch, die davon noch nie etwas gehört haben wollen: Bei diesen Partnerschaften geht es darum, seine oft rudimentären Fremdsprachenkenntnisse aufzupolieren, indem man sich über eine Tauschbörse (oder sonstige kreative Weise) einen 'native speaker' der jeweiligen Wunschsprache sucht, der nicht nur zufällig natürlich auch ein ähnliches Interesse für die eigene Sprache mitbringt. Mit diesem kann man dann im Rahmen verschiedener Aktivitäten einerseits die eigene Ausdrucksfähigkeit in der jeweiligen Fremdsprache, andererseits des Anderen Deutschkenntnisse verbessern. Da Salamanca über eine sehr internationale Studierendenschaft verfügt (selbst Spanier sollen darunter sein), hat die Universitätsverwaltung eigens eine Internetbörse als Plattform für diese Intercambios eingerichtet, so dass jeder Topf seinen Deckel finden kann.

Soweit ist eigentlich für alles gesorgt und man sollte meinen, den hehren Ansprüchen wäre fruchtbarer Boden bereitet. Dass aber in der "Ciudad dorada" auch nicht alles Gold ist, was glänzt, und die Suche nach einem Tandem-Partner durchaus in physischem wie emotionalen Stress ausarten kann, möchte ich am Beispiel einer fiktiven deutschen Studentin demonstrieren, die, um ihre bereits fortgeschrittenen Kommunikationsfähigkeiten weiter zu steigern, auf der Suche nach einer/einem Spanier/-in war und deshalb ihr Profil zur Veröffentlichung auf eben jener Internetseite preisgab. Um das Verfahren zu beschleunigen, gab unsere Protagonistin - nennen wir sie im Folgenden Clara - sowohl ihre Emailadresse als auch ihre Handynummer an.
Als Reaktion auf ihre Angaben konnte sie sich in den Folgetagen vor Angeboten spanischer Bewerber kaum noch retten, was zahlreiche Treffs in Cafés, Tapasbars und ähnlichen Lokalitäten nach sich zog. Die Beschreibung der Figuren, die sich ihrer vorstellten, würde Eure Lesegeduld strapazieren und so möchte ich beispielhaft lediglich die folgenden Charaktere erwähnen: Als erstes traf sie einen Venezolaner, der sich sehr für die deutsche Kultur interessierte, aber noch nie ein Wort Deutsch gelernt hatte und dies offensichtlich auch gar nicht vorhatte. Dies muss ja noch kein Problem sein, da man somit mehr Gelegenheit erhält, seine Spanischkenntnisse zu verbessern. Beim zweiten Treffen erwähnte er dann allerdings, in Kürze einen Ausflug ins Grüne zu planen, wo er sich erhoffe seine neue Fotokamera für herrliche Naturaufnahmen einsetzen zu können und fragte, ob Clara ihn nicht begleiten wolle. Durch die Vorstellung geplagt, selbst zum eigentlichen Motiv für die Bilder in naturbelassener Umgebung zu werden, sagte sie ihm im letzten Moment ab und verweigerte sich nachher auch weiteren Treffen mit unserem venezolanischen Freund.

Als zweites traf sie sich mit einem Musikstudenten des Madrider Konservatoriums, der vorgab, eventuell im nächsten Jahr ein Auslandsstudium in Hannover zu absolvieren. Da er am Erlernen der deutschen Sprache aber nicht das geringste Interesse zeigte und zudem sich wenige Tage zuvor mit einer schweizerischen Studentin (Heidi) getroffen hatte, welcher er berichtete, er habe eventuell Interesse, im nächsten Jahr ein Auslandssemester am Konservatorium in Zürich zu absolvieren, fiel auch dieser Kandidat unter die Kategorie: "Außer Spesen nix gewesen..."

Die letzte potentielle Bewerberin fand sich mehr zufällig in einem Germanistik-Kurs an der hiesigen Universität. Nach einer gemeinsamen Veranstaltung fragte die spanische Studentin Clara, ob sie sich nicht mal auf einen Kaffee treffen wollten, um gemeinsam an der Überwindung ihrer Sprachkenntnisse zu arbeiten. Clara schien am Ziel angelangt, konnte es sich doch hier unmöglich um anders geartete Interessen als das Erlernen zusätzlicher Sprachfertigkeiten handeln. Nach ihrer ersten Verabredung in einem Café lud sie die Spanierin gar zum gemeinsamen Filmabend in ihre Wg. Einer festen "Tandem-Partnerschaft" (womöglich gar mit freundschaftlichem Status) stand nun kaum noch etwas im Wege - hätte sich nicht während dieses Abends herausgestellt, dass die spanische Wg aus zehn Bewohnerinnen bestand und eine katholische Studentinnen-Verbindung darstellte, in die Clara nun allem Anschein nach eingeführt werden sollte. Die Wg war in einem Luxusbau untergebracht und besaß gar eine eigene Kapelle. Nach dem Film wurde ein Fragebogen ausgeteilt zur theologisch-moralischen Bewertung der soeben gesehenen filmischen Handlung. Da Clara im Vorfeld mehr zufällig von ihrem Besuch einer spanischen Messe erzählt hatte, überkamen sie gar so etwas wie Schuldgefühle wegen dieses für beide Seiten peinliche Missverständnisses...

Nach diesen und zahlreichen weiteren Abenteuern steht Clara zu unser aller Leidwesen nun wieder am Anfang ihrer Suche nach einer deutsch-spanischen Tandem-Partnerschaft. Noch sind ihre Anstrengungen und Mühen nicht belohnt worden, doch ihr Optimismus scheint ungebrochen, dass sie nach dreiwöchigem Tandem-Stress noch fündig werden wird. Obwohl sie einmal schon entnervt aufgeben wollte, trifft sie sich in zwei Tagen erneut mit einer spanischen Studentin! Fortsetzung folgt...

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